Montag, 14. Juli 2014

24. Gestrandet

Erstaunlich, wie viele Gründe es gab, nach Argentinien gekommen zu sein!



Wir haben von  Nachkriegsschicksalen gehört, von Verfolgten und Vertriebenen, aber auch von denen, die aus Liebe kamen oder sich einfach eine neue Heimat suchen wollten.

Doch da gibt es auch die Geschichte  eines Mannes, der zwischen den beiden großen Kriegen völlig ungeplant in Argentinien buchstäblich „gestrandet“ ist.

Dieses einmalige Abenteuer habe ich vor langer Zeit aus seinem eigenen Mund gehört und ich hoffe, seine Enkel akzeptieren die Version, wie ich sie noch in Erinnerung habe, und die mich damals so fasziniert hat.

Der Grund war der Untergang der „Monte Cervantes“, eines deutschen Schiffes, das 1930 bei Ushuaia kenterte und wenig später versank. Man nannte das Ereignis damals  auch „Titanic Südamerikas“, wobei  es aber zum Glück nur ein einziges Todesopfer gab, nämlich der Kapitän und das durch einen Unfall.

Es muss so um 1960 gewesen sein,  wir waren bei unserem Freund und Zahnarzt Dr. Franz Lienemann zu Gast und sein Vater, der wenig später verstarb, erzählte seine eigene Geschichte.

Er stammte aus Leipzig, war Geiger und gehörte damals zur Musikkapelle der „Monte Cervantes“, eines der ersten modernen „Kreuzfahrschiffe“. Es war ein Passagierschiff der Hamburg Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft.

Mit etwa 1200 Passagieren und 350 Besatzungsmitgliedern an Bord lief es in der Nähe von Ushuaia auf einen Felsen auf und begann zu sinken. Vater Lienemann erzählte, er habe nur einen Pyjama unter dem Mantel getragen, als er zusammen mit anderen Schiffbrüchigen in Rettungsbooten an das nahe Land gesetzt wurde.  Dort mussten sie über Stock und Stein klettern, und kamen dann nach Ushuaia.
Damals hatte der Ort aber selbst nur etwa 800 Einwohner und ein Gefängnis. Die vielen Schiffbrüchigen waren eine wahre Herausforderung für die kleine Stadt, aber alle halfen, wie sie konnten, selbst die Gefangenen sollen ihre eigenen Decken zur Verfügung gestellt haben.

Nachdem Vater Lienemann nach Buenos Aires gebracht worden war, gefiel es ihm dort so gut, dass er Frau und Sohn aus Deutschland kommen ließ. Er arbeitete weiter als Musiker in der Metropole, wie später ebenso sein Sohn sich das Studium mit Schifferklavierspielen auf deutschen Festen verdiente.

Den Bericht des  Lotsen, oder zweiten Kapitäns der „Monte Cervantes“, Rudolf Hepe, habe ich von seinem Enkel mit dem gleichen Namen freundlicherweise zur Verfügung gestellt bekommen, und er wird eine großartige und fachliche Ergänzung  dieser Geschichte sein und anschließend folgen.

Rosemarie Mueller-Wortmann   

 Zeichnung: Gerda Schwarz



1 Kommentar:

  1. Und nach 82 Jahren passiert sowas auch noch
    https://www.youtube.com/watch?v=SxIky2cG7t8

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