Montag, 30. Juni 2014

21. Umweg über Schweden

Ich muss zum Verständnis meiner Vergangenheit etwas ausholen:                                                         
Deutschland lag nach Beendigung des 2. Weltkrieges in Schutt und Asche. Stettin, meine Heimatstadt,  war polnisch geworden.

Unser Waldgut in Vorpommern wurde sofort nach Kriegsende enteignet.
Wir waren heimatlos, entwurzelt, wohnungslos, wir waren Flüchtlinge, und im Westen auch nicht willkommen.

Wir hatten in der Dachstube einer feinen Villa in Ahrensburg bei Hamburg Unterkunft gefunden.
Unser Vater kam als Holzkaufmann, Wald- und Forstspezialist in Westdeutschland nicht wieder auf die Beine.

Da beschlossen wir nach reiflicher Überlegung: Wir wandern aus. Aber wohin ??
Venezuela, Südafrika oder Argentinien? Zu keinem Land hatten wir eine Beziehung, aber diese Länder waren Einwanderern gegenüber wohlwollend gesonnen.

Im Oktober 1947 brachte ein Fischer meinen Vater und mich für viel Geld von Deutschland nach Schweden und setzte uns 3 Seemeilen vor der Küste bei Ystadt aus. Auf einem Rettungsfloß ruderten wir an Land.
Als illegale Einwanderer konnten wir nur Fabrikarbeiter werden, Vater auf der Werft, ich als Näherin in einer Konfektionsfabrik. Mutter und Schwester kamen mit Einreisegenehmigung und dem Nordexpress nach.

2 Jahre Schweden…

Nach eifrigem Suchen kam der Kontakt zu einem deutschen Buchhändler zustande, dem es gelang, für 50 Peso Schmiergeld unserem Vater ein „libre desembarco“  (freie Einreise) für Argentinien zu besorgen.

Wir verkauften ein paar Wertsachen und mit dem Erlös bekam mein Vater eine Passage nach Argentinien auf der “Anni Johnson “,  einem Frachter der Johnson-Linie,  Göteborg-Buenos Aires.

Vater war begeistert von Argentinien, seiner Weite und der Fruchtbarkeit der Erde.
„Hier kann man einen Besenstil in die Erde stecken und der schlägt aus“, schrieb er.
Mutter kam mit uns zwei Töchtern nach.

Argentinien wurde uns zur zweiten Heimat. Der Anfang war schwer. Aber keiner von uns hat es je bereut. Wir lebten und leben gern in Argentinien.

Heute ist die Familie zerstreut in Italien, Hongkong, England und Chile, und ich lebe den Rest meiner Tage in der Provinz Córdoba in einem Paradies.

Sabine Blaschkowsky

Familie Meister in Schweden 1952
Sabine heute

Freitag, 27. Juni 2014

20. Nachruf für Pauline

Pauline, von deren 100. Geburtstag wir vorige Woche, am Mittwoch in Nr. 18.  berichtet haben, ist gestern früh im Schlaf gestorben.
Es scheint so, als ob sie mit letzter Willenskraft die 100 Jahre erreichen wollte,  sie wusste, dass dazu ihre Tochter Giga aus den Staaten kommen würde.
Sie hat es geschafft und noch 8 Tage mehr. Wir möchten bei dieser Gelegenheit noch zwei Fotos bringen, die wir gefunden haben:

Ihre „Gata Negra“, ihr geliebtes Haus in Villa Gesell,  und ein Foto mit einer Freundin vor dem Haus.














Außerdem bringen wir zur Erinnerung noch einmal ihren Beitrag aus unserem 
1. Blog, „Geschichten aus, über und von Villa Gesell“ Nr. 3  http://geselligerunde.blogspot.com.ar/


Es ist der 24. Dezember 1970, in den letzten Stunden vor der Schließung der Deutschen Botschaft für die bevorstehenden Feiertage und der letzte Arbeitstag für uns Angestellte in diesem Jahr.
Da kommt kurz vor Schluss noch der damalige Protokollchef angesaust und gibt mir einen Extraauftrag, der unbedingt noch ausgeführt werden soll. Es muss vor Ende des Jahres ein Sonderkurier mit einem Antrag für ein Bundesverdienstkreuz nach Deutschland geschickt werden, und die Arbeit dafür zuständig bin ich. Als ich aber höre, um wen es sich handelt, bin ich sofort Feuer und Flamme.

Als alte Gesellinerin der ersten Jahre freue ich mich ganz besonders, dass dem Gründer unseres schönen Badeortes, Carlos Gesell, zu seinem 80. Geburtstag, am 11. März 1971, das Bundesverdienstkreuz überreicht werden soll. Dieser Extraauftrag in letzter Stunde ist eine Riesenfreude für mich!
Natürlich fahre ich dann im März für die feierliche Überreichung zusammen mit dem Botschafter Dr. Werz nach Villa Gesell. Es bleibt ein unvergessliches Erlebnis!        Pauline d.A.

Carlos Gesell, seine Frau Emilia und Botschafter Dr. Werz

Ein paar Jahre später bekam sie selbst das Bundesverdienstkreuz.

Die Blogger

Montag, 23. Juni 2014

19. Vergebliche Suche

                                                                                                                                              
Carl war der zwei Jahre ältere Bruder meines Vaters und beide stammten aus der zweiten Ehe meines zwei Mal früh verwitweten Großvaters.

Die sagenhafte Chronik des viel älteren Halbbruders Otto, in Nr. 15 schon erzählt, hatte noch nicht ihr unrühmliches Ende gefunden, als diese Geschichte die beiden jüngeren Brüder Carl und meinen Vater, kaum 20 Jahre alt,  in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts dazu animierte, auch nach Südamerika aufzubrechen.

Nach einem ebenso abenteuerlichen, wie missglückten Versuch, erst in Brasilien Fuß zu fassen, erschienen beide Brüder in Buenos Aires bei dem gerade mit seinem unerwarteten Reichtum beschäftigten Halbbruder. 

Den jüngeren, meinen Vater, schickte Bruder Otto gleich wieder nach Hause, mit der Legende, dass der Vater ihn in Deutschland dringend brauche  und sehen wolle.
Carl brachte Bruder Otto in der Deutschen Bank unter, zuerst in  Bahia Blanca, dann in Buenos Aires, wo er dann auch blieb.

Zu den frühesten Erinnerungen meiner Kindheit  gehört der Besuch meines Onkels Carl  mit seiner Frau, Tante Tita, aus Südamerika. Er war ein lebhafter lustiger Mann und sie eine nette korpulente Tante mit roter Baskenmütze. Tante Tita soll  einmal argentinische Tennismeisterin gewesen sein, aber danach sah sie damals nicht mehr aus. Beide waren wochenlang bei uns zu Gast und aßen Unmengen Fleisch.

Dann brach der 2. Weltkrieg aus und die Verbindung mit den beiden völlig ab.

Als ich 1950 nach Argentinien kam, erhielt ich den Auftrag von der ganzen Familie, nach dem verschollenen Onkel Carl zu forschen.  Er aber ließ sich verleugnen und wollte von mir nichts wissen. Ich hörte nur, er sei ein interessanter, etwas verschrobener Mann, der aber nach dem Tode seiner Frau völlig heruntergekommen sei. Das sollte wohl die Familie in Deutschland nicht erfahren. Er war kinderlos und ist später in Misiones gestorben. Das war dann das Ende meiner Nachforschung.

Aber durch einen Zufall hörte ich dann doch noch einmal von ihm.

Bei einem Deutschlehrertreffen in Buenos Aires traf ich eine ältere Kollegin. Wir kamen ins Gespräch und sie sagte mir, sie wohne in Burzaco, einem Vorort im Südwesten von Groß-Buenos Aires.
 „Burzaco? Da hatte einmal ein Onkel von mir ein Landhaus!“ erinnerte ich mich.
„Wie hieß der denn?“ fragte sie. Als sie den Namen  hörte, erklärte sie mir: “In dem Haus wohne ich!“ und schaute mich etwas misstrauisch an, ob ich vielleicht etwa noch irgendwelche Erbansprüche wegen des kinderlosen Onkels stellen wollte.



Beruhigt darüber, verabredeten wir noch ein Treffen mit ihr, aber ehe wir ihre Einladung in dem ehemaligen Haus meines Onkels  annehmen konnten, verstarb sie.

Rosemarie Mueller-Wortmann

Zeichnung: Gerda Schwarz



Die einzigen Fotos von Onkel Carl und Tante Tita in Buenos Aires, etwa um 1930

Mittwoch, 18. Juni 2014

18. Der 100. Geburtstag von Pauline

Bundesverdienstkreuz
18. Juni 2014 
                                                                                                                           
Im Jahre 1951, als wir noch kleine Kinder waren, ist unsere Familie von Österreich ausgewandert: Vater Hans, Mutter Pauline, Brüder Bernd und Klaus und ich, Gerda (oder Giga).

Unser Vater, Hans Opawsky, der im 1. Weltkrieg schon in der Garde von Kaiser Franz Josef gedient hatte und im letzten Krieg als Oberaufseher einer Werkstelle in Tirol verpflichtet worden war,  fürchtete, dass der Krieg in Korea wieder Unruhe nach Europa bringen würde und er wollte nicht noch einen weiteren Krieg erleben.

Er hatte einen Freund, der schon seit einiger Zeit in Argentinien lebte und  immer wieder schrieb, wie schön das Land sei, wie gut und ruhig man dort leben könnte und dass er es doch auch versuchen sollte.
So entschlossen sich unsere Eltern, für 10 Jahre nach Argentinien zu ziehen und, wie so viele andere, sind sie dort für immer geblieben.

Die Mutti, (jetzt Pauline des Aubrys), die für ihre Verdienste als deutsche Botschaftsangestellte    während der argentinischen Militärdiktatur das  Bundesverdienstkreuz erhielt, lebt heute noch in einem Heim in Villa General Belgrano, Córdoba,  und wird am  18. Juni ihren 100. Geburtstag feiern.

Herzlichen Glückwunsch!

Bericht von Tochter Giga  aus USA



Die Familie in Villa Gesell 1954
Pauline im Jahre 2000 in Villa Gesell
                   

Sonntag, 15. Juni 2014

17. Mennoniten aus der Ukraine

Simon Mennon 1500
Anni wurde 1924 in Neuendorf in der Ukraine als  Njura Braun geboren. Njura ist eine russische Koseform von Anna.

Neuendorf war eines der Dörfer der Mennoniten-Siedlung  in der Nähe des Flusses Dnjepr in der Ost-Ukraine.

Die erste Besiedlung durch die Mennoniten erfolgte dort bereits Ende des 18. Jahrhunderts aus Westpreußen  mit der Unterstützung von Kaiserin Katharina II.

Die deutsche Sprache hatte sich seitdem  als „Plaudietsch“ erhalten.  

Annis  Vater war schon 1938 von den Russen unter Stalin, wie sehr viele seiner Leidensgenossen, mit ungewissem Schicksal nach Sibirien verschleppt worden.

Im  Krieg sollten die Gemeinden von den Deutschen im Warthegau angesiedelt und die ansässigen Polen dort enteignet werden. Doch dies war nur eine kurzfristige Episode.

Anfang des Jahres 1945 begann dann die große Flucht nach Westen.

Auch Anni landete mit ihrer ganzen Familie, Großmutter, Mutter und Geschwistern, nach langen Irrwegen in Sachsen.
Zum Glück hatte die Religionsgemeinschaft der Mennoniten weltweit einen großen Zusammenhalt und wurde sogar von der UNO unterstützt.

Die meisten der vertriebenen Russlandmennoniten landeten in Canada. Doch dort nahmen sie nur junge Leute auf und Annis Großmutter war schon zu alt, also kamen sie nach Paraguay. Da entstand eine große neue Gemeinde mitten im Urwald.

Aber Anni gefiel es dort nicht so gut und außerdem hatte sie schon ihren späteren Mann, Peter Janzen, kennengelernt, der sich bereits über die „grüne Grenze“ nach Argentinien abgesetzt hatte.
Annis ganze Familie zog hinterher. In Argentinien bekamen sie auch ihre gültigen Papiere, Anni heiratete ihren Peter und bekam zwei Söhne.

Durch ihren festen Glauben, ihre arbeitsreiche Jugend auf dem Land, ihren Fleiß und ihre Bescheidenheit konnten sie  trotz der verlorenen Heimat in Argentinien bald eine  neue Lebensgrundlage bilden.
Leider starb Peter kurz bevor die beiden  ihren verdienten Lebensabend in ihrem Sommerhaus am Meer  antreten wollten.
Nun lebt Anni allein in Villa Gesell, hat ihre Familie nicht allzu weit entfernt und ist zufrieden mit sich und der Welt.

Bericht von Anni Janzen


Eins der Bauernhäuser der ukrainischen Mennoniten in Neuendorf  

       Anni Janzen  2008

Mittwoch, 11. Juni 2014

16. Ein bayrisches Dirndl in Buenos Aires

In den fünfziger Jahren, wir waren erst wenige Jahre im Lande, wurde uns Besuch aus Deutschland angekündigt, Bekannte von Bekannten von Freunden usw…

Sie wollten nur ein paar Tage bei uns in Buenos Aires bleiben, dann zu anderen Bekannten nach Rosario fahren. Sie kamen aus Bayern und planten, hier Geschäfte zu machen: Bier verkaufen!

Zu dieser Zeit war noch Grl. Peron Präsident in unserem Land und an Importgeschäfte war überhaupt nicht zu denken. Das hatten wir ihnen schon vorher brieflich deutlich gemacht. Ich hatte sogar um ein paar Nähmaschinennadeln gebeten, denn selbst die waren hier nicht zu bekommen, aber das hielt sie  von ihrem Vorhaben ganz und gar nicht ab.

Wir hatten damals noch kein Auto und mein Mann holte sie vom Flughafen ab. Der Taxifahrer grinste leise vor sich hin…

Denn unsere Besucher, noch junge Leute, waren echte Bayern, und wollten das der Welt wohl auch zeigen. Er, schlank und rank,  trug zum Glück zwar keine Lederhosen, aber ein typisches bayrisches „Jankerl“, doch sie, weder schlank noch rank, sondern rund wie ein kleines Bierfass, trug ein echtes Dirndl, am Busen sehr weit ausgeschnitten mit Puffärmeln, weitem bunten Rock und rot geblümter Schürze.

Die gleiche Aufmachung trugen sie auch an den nächsten Tagen zur Stadtbesichtigung, bei der mein Mann sich am liebsten unsichtbar gemacht hätte, und dann auch auf dem „mercado“ (Markt), der damals noch  bei uns in der Nähe auf der Straße stattfand, wobei ich das Vergnügen hatte, sie zu begleiten.

Sie waren eine wahre Sensation, überall, wo sie auftraten, aber das störte sie selbst überhaupt nicht.
Zu Hause hatten wir viel Spaß zusammen.  

Nur Importgeschäfte mit Bier kamen natürlich weder hier noch in Rosario zustande.

 Irmgard H.

Zeichnung: Gerda Schwarz


Sonntag, 8. Juni 2014

15. Onkel Otto

Folgende unglaubliche Geschichte handelt von meinem Onkel Otto, der um die Jahrhundertwende, nicht um die letzte, sondern um die vorletzte, in Argentinien lebte und  später seine zwei jüngeren Brüder, darunter auch meinen Vater, veranlasste, vor dem 1. Weltkrieg ebenfalls Argentinien zu besuchen. Doch das ist noch eine andere Geschichte.

Onkel Otto lieferte in meiner Kindheit  oft Stoff für Familiengespräche und, obwohl das meist unter vorgehaltener Hand geschah, war das aber gerade deshalb  für uns Kinder so besonders interessant. Für den hundertprozentigen Wahrheitsgehalt kann ich leider auch nicht garantieren, aber im Großen und Ganzen muss es sich wohl so abgespielt haben und  war bei ja meiner Geburt schon längst Geschichte.

Mein Onkel Otto, 1879 in Westfalen geboren, stammte aus der ersten Ehe meines Großvaters und war sehr viel älter als mein Vater. 
Er erhielt eine gute kaufmännische Ausbildung und wurde  schon in  jungen Jahren als Angestellter einer wichtigen deutschen Ex-Importfirma nach Buenos Aires geschickt. Der ehrgeizige und tüchtige Otto machte dort schnell Karriere und verlobte sich mit der Tochter seines Chefs.

Aber, wie das Leben manchmal die ausgefallensten Romane schreibt, verlief alles ganz anders.  

Er gewann bei dem gleichen  Losverkäufer zweimal hintereinander das große Los, zusammen eine gewaltige Summe, und war plötzlich steinreich. Er kündigte daraufhin seine gute Anstellung, verließ die Braut und lebte einige Jahre in Saus und Braus, bis nichts mehr übrig blieb.

Bei einem letzten Versuch, noch einmal neu anzufangen, bat er in Montevideo eine Tänzerin um die Beleihung der wertvollen Perlenkette, die er ihr einmal geschenkt hatte. Sie lachte ihn aus. Er schoss sie an und sich tot.

Das ist die die Saga von meinem Onkel Otto, nach dessen plötzlichen Tod die Familie, die ihn immer noch in großem Reichtum wähnte und  von ihm auch bisher großzügig  bedacht worden war, vergeblich auf das märchenhafte Erbe wartete….

Rosemarie Mueller-Wortmann

Zeichnung: Gerda Schwarz

Onkel Otto um 1905



                                                                                    

Mittwoch, 4. Juni 2014

14. Neues Leben in einem unbekannten Land

Wir wohnten lange Zeit friedlich in Hamburg, mein Vater, der dort mit Schuhen handelte, meine Mutter, mein Bruder und ich. 

Ab 1933 wurde unser Leben immer unerträglicher und spätestens 1938 wusste mein Vater, dass es nur noch eine Möglichkeit gab:

Auswandern! Ein sehr schwieriger Gedanke für einen Menschen, der bisher niemals im Ausland gewesen war. Aber er versuchte es auf gut Glück zuerst einmal mit Argentinien, ohne irgendetwas von dem Land zu kennen oder auch nur gehört zu haben.

Durch einen Zufall hörte er dort von einer französischen  Schifffahrtslinie, die Passagen erster Klasse nach Argentinien vermittelte, und zwar gleich zusammen mit der Einreiseerlaubnis ins Land.

Mein Vater kaufte sofort die teuren Passagen, doch noch mussten wir noch auf den Aufruf warten, ein ganzes banges Jahr, bis  wir endlich die Papiere für meine Mutter, meinen Bruder und mich in den Händen hatten,  und wir ausreisen konnten.

Wir drei kamen genau einen Tag vor Kriegsbeginn in Buenos Aires an, in einem für uns völlig unbekannten Land…


Die Geschichte von meiner Frau Ruth, wie sie hierhergekommen ist,  ist sehr verschieden von der meinigen, obwohl wir beide aus Hamburg stammen, die Familien sich aber dort nicht kannten.

Ruths Vater verkaufte Wein in ganz Amerika, im Norden wie im Süden.
Als er auswandern wollte und musste, wählte er Argentinien, denn für ihn war es das Land der Zukunft. 

Die Familie meiner Frau kam 1933 nach Holland und 1938 nach Argentinien, wo wir uns kennenlernten und 1949 heirateten.

Das Wichtigste für uns Immigranten war: Arbeiten und für unsere  Kinder eine bessere Zukunft aufbauen. Das war hier in Argentinien leicht, wo die Ausbildung gratis war. Alle drei Söhne konnten studieren.


Wir waren 62 Jahre sehr glücklich verheiratet, als Ruth mich  ganz plötzlich für immer verließ….

Rodolfo Goldschmidt



Sonntag, 1. Juni 2014

13. Der Tronador


Im Jahre 1967 beschlossen meine Freundin Ulla und ich in unserem heimatlichen Saarbrücken, gemeinsam ins Ausland zu gehen. Wir waren junge ausgebildete Lehrerinnen und wollten ein bisschen mehr von der Welt sehen. 3 Jahre Ausland war unser Plan.

Wir bewarben uns bei der Schulbehörde und bekamen ein Angebot von der Mädchenschule in Santiago de Chile, die von den katholischen Nonnen, den Ursulinerinnen, geleitet wurde.
Uns gefiel es dort von Anfang an sehr gut, die Arbeit machte  Spaß, die Ursulinerinnen waren fabelhafte Lehrerinnen und prachtvolle Menschen und  mit den anderen Lehrkräften, zum Teil auch „Entsandte“ wie wir, hatten wir gleich sehr guten Kontakt.

In den Ferien lernten wir Land und Leute kennen und, als einmal  Ulla  aus familiären Gründen nach Deutschland fliegen musste, fuhren Maria, eine andere deutsche Kollegin, und ich über den Pass bei Osorno nach Argentinien, um das nahe gelegene Bariloche  zu besuchen.

Mit dem Ausflugbus fuhren wir von dort zum Berg „Tronador“ (Donnerer). Unter den Touristen war auch ein gut aussehender,  großgewachsener junger Mann, der sich sichtlich für uns interessierte. Wir nahmen an, er sei vielleicht auch ein entsandter Lehrer, dem war aber nicht so. Er war Argentinier aus Buenos Aires und machte Urlaub.  Er sprach uns an und wir tranken eine Tasse Kaffee zusammen. Adressen wurden ausgetauscht und jeder fuhr wieder nach Hause.

Dann folgte ein reger Briefaustausch mit Silvio, so hieß der junge Argentinier, und mir. Später gab es dann auch ein Treffen in Buenos Aires.

Das Ende vom Lied war die zivile Hochzeit in Buenos Aires 1970 und die kirchliche 1971  in Saarbrücken.

In der Goethe-Schule (Norte) von Buenos Aires wurde ich sofort als Lehrerin angestellt, zwar nur als Ortskraft, aber ich arbeitete dann auch noch im Goethe-Institut.

Nun sind Silvio und ich schon  44  Jahre glücklich verheiratet!

Und was wurde aus meiner Freundin Ulla?

Sie trat bei den Ursulinerinnen in Santiago de Chile als Nonne ein und ist jetzt die Oberin des Klosters.

Sieglinde Raimondi

Sieglinde
Silvio



Sieglinde und Ulla (Sor Angela)